Menschen, die einen höheren Pflegegrad benötigen, können sich künftig mit dem Medizinischen Dienst ganz einfach per Video austauschen.
Das ermöglicht das nun in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG).
Allein in Sachsen-Anhalt sind die Pflegefachkräfte des Medizinischen Dienstes im vergangenen Jahr 106.315 Mal der Frage nachgegangen, ob und in welchem Umfang Pflegebedarf besteht. Das waren 11,6 Prozent mehr als noch im Jahr 2022.
Mit steigendem Pflegebedarf und akutem Fachkräftemangel sind alternative Begutachtungswege zunehmend von Bedeutung, um den Zugang zu Pflegeleistungen weiterhin zeitnah sicherzustellen. Hausbesuche müssen nicht in jedem Fall das Mittel zur Wahl sein. In gewissen Fällen, wie etwa bei langjährigen chronischen Erkrankungen, fortgeschrittenen Krebserkrankungen oder Demenz, kann das Ausbleiben einer aufreibenden persönlichen Begutachtung für die Betroffenen und ihre Angehörigen sogar eine Erleichterung in einer ohnehin schweren Lage sein. Eine besondere Bedeutung haben alternative Begutachtungsformen zudem im Bereich der Palliativversorgung. „Die Zukunft liegt ganz klar bei der Videobegutachtung, die mehr als eine Alternative zum Telefoninterview ist“, erklärt Jens Hennicke, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt. Bereits mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) war der telefonische Weg bei Höherstufungen und Widersprüchen freigegeben worden, welche fortan alternativ per Video stattfinden dürfen. „Die Menschen zu sehen ist natürlich besser, weil sich so die eine oder andere Frage erübrigt“, sagt Hennicke. „Der Wunsch der Pflegebedürftigen bleibt bei der Umsetzungswahl aber wichtig.“ Etwa 10 Prozent der über 100.000 jährlichen Pflegebegutachtungen könne man künftig über digitale Formate realisieren.
Um das noch auszuweiten, sollte die Pflegeexpertise der Fachkräfte Hennickes Überzeugung nach über das DigiG hinaus noch mehr Wertschätzung erhalten. Die Entscheidung darüber, wann der persönliche Besuch vor Ort angebracht und wann ein anderer Weg möglich ist, sollten in ihrer fachlichen Einschätzung liegen. „Ein flexibler Einsatz der Videobegutachtung bietet für alle Seiten Vorteile. So können auch Angehörige ganz unkompliziert beim Gespräch mit der Pflegegutachterin oder dem Pflegegutachter dabei sein, selbst wenn sie nicht direkt vor Ort sind.“
Hintergrund:
Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) soll Grundlage sein, um Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen zu vereinfachen. Zentraler Bestandteil des Gesetzes ist dabei eine elektronische Patientenakte (ePA) für alle. Dies soll den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten vorantreiben und die Versorgung gezielt unterstützen. Zudem wird das E-Rezept als verbindlicher Standard eingerichtet.
Mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) wurde mit § 142a SGB XI eine Übergangsregelung für telefonische Begutachtungen getroffen. Am 18. November 2023 sind daraufhin die überarbeiteten Begutachtungsrichtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in Kraft getreten. Sie ermöglichen in bestimmten Fallkonstellationen eine strukturierte telefonische Begutachtung als Alternative zum Hausbesuch – mehr dazu vom Medizinischen Dienst Bund:
Jedes Jahr unterstützen die Pflegefachkräfte des Medizinischen Dienstes Sachsen-Anhalt die Soziale Pflegeversicherung mit über 100.000 pflegefachlichen Empfehlungen. Den größten Anteil daran haben die Pflegebegutachtungen. Die Pflegekassen beauftragen den Medizinischen Dienst, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit vorliegen. Der Maßstab für die Begutachtung ist der Grad der Selbständigkeit. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie selbständig der Mensch seinen Alltag bewältigen kann.