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In schwierigen Lebenslagen unterstützen Hilfsmittel Selbständigkeit und Lebensqualität

 

Ein Tag im Jahr 1980 änderte das Leben von Ingrid Lisson. Als Notfall kam die damals 40-Jährige mit aussetzender Atmung ins Krankenhaus. Hier lag sie ein halbes Jahr im Koma. Als sie wieder aufwacht, ist alles anders. „Zum Glück hatten wir einen guten Arzt, der sich sehr darum bemüht hat, dass möglichst alles wieder ein bisschen in Gang kommt“, sagt ihre Tochter Franka Volkland. Mit viel Ehrgeiz erkämpft sich Ingrid Lisson ein wenig Sprachfähigkeiten zurück. Ihre Gedanken und Gefühle kann sie wieder ausdrücken, auch wenn sie das Kraft kostet und bei ihren Mitmenschen aufmerksames Zuhören voraussetzt. Körperlich bleiben die Erfolge leider für die einst sportliche Frau gering. „Die Beine und den rechten Arm kann die Mutti leider gar nicht mehr aktiv nutzen“, erklärt ihre Tochter. „Den linken Arm, vor allem die Hand, also das Handgelenk und die Finger, kann sie immerhin noch bewegen. Damit bedient Mutti den Elektrorollstuhl.“

Die Details zählen

Franka Volkland erinnert sich noch gut: „Der erste E-Rollstuhl wurde uns einfach vor die Tür gestellt. Das war ein ganz großer und breiter. Mutti hatte damals noch ihre eigene Wohnung. Dort passte der durch keine Tür. Ich habe die Mutti damals dann wirklich mit dem Sessel durch die Wohnung geschoben, bis wir einen anderen bekommen hatten.“ Orthopädiemechaniker Thomas Mottl, der beim Medizinischen Dienst Sachsen-Anhalt arbeitet, weiß: „Die Sitzbreite ist bei Rollstühlen immer ausschlaggebend, weil sich der ganze Rollstuhl quasi davon ausgehend aufbaut.“ Gemeinsam mit seiner ärztlichen Kollegin Dr. med. Kerstin Rudloff besuchte er die Familie, um sich den Elektrorollstuhl anzuschauen, den Ingrid Lisson künftig nutzen möchte. „Etwa Mitte Juli 2022 kam der neue E-Rollstuhl, den die Mutti aber gar nicht nutzen konnte“, sagt Franka Volkland. „Unten war eine durchgängige Fußplatte angebracht und da haben wir Mutti mit ihren Beinen nur mit ganz, ganz großer Mühe reinsetzen können. Zwar haben wir das auch mal gemacht, aber das hätten wir so nicht jeden Tag bewältigen können. Im Rollstuhl hat dann das Rückenkissen der Mutti auf der linken Seite in der Achsel gedrückt. Ein verkehrtes Sitzkissen hatten wir auch noch und mussten warten, bis das getauscht war. Das hat sich dann insgesamt alles ewig hingezogen, bis die Krankenkasse den Medizinische Dienst hinzugezogen hat.“

Schwierigkeiten aufzeigen ist wichtig

Mit Fotos und Videos veranschaulichte Franka Volkland der Krankenkasse ihrer Mutter die Probleme mit dem neuen Elektrorollstuhl „und dann haben die das in Gang gesetzt. Da war ich ja froh!“ Die Krankenkasse von Ingrid Lisson bittet die Hilfsmittelexperten des Medizinischen Dienstes um eine persönliche Inaugenscheinnahme des etwa 30.000 Euro teuren Elektrorollstuhls mit Sitzlift, um den konkreten Optimierungsbedarf zu ermitteln. „Das ist wichtig, weil die verwendeten Hilfsmittel den Menschen, die sie nutzen, keinen Schaden bereiten sollen“, sagt die ärztliche Hilfsmittelexpertin Dr. med. Kerstin Rudloff.

Begutachtungen im Hausbesuch sind sehr aufwendig und erfordern im Vorfeld und im Nachgang viel Recherche. Erfolgen sie zusätzlich mit einem Techniker, verdoppelt sich in etwa die Gesamtzeit. 
Dr. med. Kerstin Rudloff

„Vor Ort konnten wir dann sofort sehen, wo’s "drückt".“ Die Rückenlehne verursacht hinten Druck auf die beiden Oberarme. Aufgrund der fast kompletten Lähmung aller Extremitäten, einer so genannten Tetraparese, die rechts betont ist und die Rumpf- und Halsmuskulatur mit betrifft, ist rechts kein Greifen und insgesamt kein aufrechtes Sitzen möglich. Ein eigenständiges Aufrichten ist Ingrid Lisson daher ebenso wenig möglich wie den Sitz zu korrigieren, den Kopf zu heben oder halten. Aus medizinischer Sich ist für Dr. Kerstin Rudloff völlig klar, dass Ingrid Lisson einen Rollstuhl benötigt, der Arme und Beine druckfrei lagert und den Rumpf, Hals und Kopf ausreichend stützt und stabilisiert sowie Lageveränderungen ermöglicht. Parallel zur körperlichen Untersuchung seiner ärztlichen Kollegin befasst sich Thomas Mottl mit dem Elektrorollstuhl. „Auf dem Rückenpolster war deutlich eine Reibungsstelle erkennbar“, erinnert er sich. Beim Abtasten des Kissens spürt Thomas Mottl eine Verwerfung im eingenähten Schaumstoff. „Das ist eine Sache, die der Hersteller korrigieren müsste. Da kommt man von außen ja nicht ran“, informiert er Ingrid Lisson und Franka Volkland. „Die Rückenlehne ist insgesamt zu hoch positioniert und sollte weiter nach unten gesetzt werden.“ Bei seiner Inspektion stellt der Orthopädiemechaniker außerdem fest, dass die durchgängige Fußplatte ungeeignet ist und die Füße sogar herunterfallen, wenn die zentrale Beinstütze in die Liegefunktion ausgefahren wird. Eine Beinführung für den stabilen Halt und die im Kostenvoranschlag des Sanitätshauses aufgeführten Wadenpolster vermisst Thomas Mottl ebenfalls. Er empfiehlt ergänzend, zu prüfen, ob schalenförmige Unterarmauflagen verwendet werden können, um die Arme sicher zu lagern und ein seitliches Herunterrutschen zu vermeiden.

Ein bedeutsames Stück Freiheit

„Nur gut, dass wir aus Erfahrung vor Jahren mal einen E-Rollstuhl in Eigenleistung erstanden haben, denn die alten Rollstühle gehen ja immer zurück zur Krankenkasse. Zwar ist unser Ersatzgerät für solche Fälle jetzt schon fast 20 Jahre alt und wird nicht mehr hergestellt, aber der Hersteller hat uns den jetzt wieder in Gang gesetzt. Das ist der, den die Mutti jetzt gerade nutzt, bis der neue einsatzbereit ist. Sonst hätten wir gar keinen gehabt. Dann hätte die Mutti ja im Bett liegenbleiben müssen“, sagt Franka Volkland. Sie weiß, wie wichtig der Elektrorollstuhl tagtäglich für ihre Mutter ist. „Selbst Stehen oder Gehen geht ja nicht mehr und so hat sie wenigstens die Möglichkeit, alleine nach draußen zu fahren, wenn sie das möchte. Für die Übungen zur Physio- und Ergotherapie gehen sie auch oft mit ihr raus in den Garten. Sogar beim Krankentransport kann sie damit einfach die Rampe hochfahren. Sie kommt damit wirklich gut zurecht, obwohl das gar nicht so einfach ist, einen Elektrorollstuhl zu fahren. Da bin ich wirklich froh, dass die Mutti das so gut hinbekommt.“

„Wir wollen ja gar nichts Besonderes, nur das gleiche wie vorher. Damit kommen wir zurecht“, sagt Franka Volkland und berichtet, dass das Sanitätshaus zeitnah nach dem Besuch des Medizinischen Dienstes schon die Lehne herabgesetzt, die Wadenpolster ergänzt und die durchgehende Fußplatte durch Einzelfußplatten ausgetauscht hat. Auf den beiden einzelnen Fußplatten wurden mit Klettband sogar noch Fußschalen befestigt, um deren Unterstützung für einen bessern Halt zu erproben. „Wir haben jetzt auch noch einen aufschiebbaren Tisch bekommen – so einen Therapietisch, auf den man Essen und Trinken draufstellen kann. Da kann sie dann noch alleine trinken, weil sie mit dem Strohhalm trinkt. Das klappt gut. Sie versucht ja noch und alles, was sie selber machen kann, macht sie auch noch.“ Nun hofft die Familie, dass alle anderen Anpassungen und Korrekturen auch schnell umgesetzt werden. „Mutti nutzt den Elektrorollstuhl ja von morgens bis abends. Eigentlich ist es so, dass die Leute in ihrem E-Rollstuhl wohnen, den ganzen Tag. Deshalb muss auch alles passen. Es darf nichts drücken, gar nichts“, sagt Franka Volkland. „Daumen drücken“, sagt Ingrid Lisson mit einem optimistischen Lächeln.

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